Praxis für
Humangenetik und Prävention
Stuttgart

Dr. med. Robert Hering
Facharzt für Humangenetik

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Familiärer Darmkrebs

Man unterscheidet Darmkrebsveranlagungen mit Neigung zur Polypenbildung (Polyposis-Syndrome) und von solchen ohne Polyposis (Non-Polyposis-Syndrome).

Polyposis Syndrome

Das vermehrte Auftreten von Polypen des Dickdarmes wird als Polyposis coli bezeichnet. Abhängig von der histologischen Struktur der Polypen unterscheidet man adenomatöse Polyposis-Syndrome von hamartomatösen, sessilen serratierten und mixed Polyposis-Syndromen. Kann die genetische Grundlage eines Polyposis-Syndroms aufgedeckt werden, wird auch klar, welche Organe gefährdet sind und in welchem Abstand bzw. mit welcher Technik diese überwacht werden müssen.

Lynch-Syndrom

Die Non-Polyposis-Syndrome werden unterteilt in diejenigen mit und ohne Mutation in einem der sogenannten Mismatch-Reparaturgene (MLH1, MSH2, MSH6 und selten PMS2). Non-Polyposis-Syndrome mit Mutationsnachweis in einem der genannten Gene werden als Lynch-Syndrom bezeichnet. Das Lynch-Syndrom (benannt nach Henry Lynch, amerikanischer Chirurg) bedeutet für die Betroffene eine Tumorveranlagung für Darmkrebs und bei weiblichen Anlageträgern zusätzlich für Gebärmutterkrebs (Endometriumkarzinom), wobei die Tumore schneller als im Allgemeinen von der Krebsvorstufe in die Krebserkrankung übergehen (verkürzte Adenom-Karzinom-Sequenz). Deshalb sind bei Personen, bei welchen ein Lynch-Syndrom ausgeschlossen werden kann, in der Regel 5-10 jährliche Vorsorgeintervalle ausreichend. Das Lynch-Syndrom wird autosomal dominant vererbt. Dies bedeutet, dass erstgradig Verwandte von Anlageträgern (Eltern, Geschwister, Kinder) ebenfalls Anlageträger der Tumordisposition sind, Männer wie Frauen. Nichtanlageträger können die Tumordisposition nicht an ihre Kinder vererben.

Bild Darmkrebs

Hereditäres Non-Polyposis Kolorektales Karzinom (HNPCC)

Amsterdam-II-Kriterien:
(alle Kriterien müssen erfüllt sein)

  1. Mindestens drei Familienangehörige mit histologisch gesichertem kolorektalem Karzinom oder HNPCC-assoziiertem Karzinom (Endometrium, Dünndarm, Nierenbecken/Ureter).
  2. Einer davon ist Verwandter ersten Grades der beiden anderen.
  3. Erkrankungen in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Generationen.
  4. Mindestens ein Patient mit der Diagnose des kolorektalen Karzinoms vor dem 50. Lebensjahr.
  5. Ausschluss einer Familiären adenomatösen Polyposis (FAP).

Da nicht alle Patienten beziehungsweise Familien mit nachgewiesener Keimbahnmutation die sehr strengen Amsterdam- Kriterien erfüllen, wurde ein erweiterter Kriterienkatalog definiert (Bethesda-Kriterien). Bei Erfüllen dieser Kriterien muss der Verdacht auf HNPCC mit speziellen molekulargenetischen Untersuchungen überprüft werden.

Revidierte Bethesda-Kriterien (2004):
(mindestens ein Kriterium muss erfüllt sein)

  1. Person mit kolorektalem Karzinom, diagnostiziert vor dem Alter von 50 Jahren.
  2. Person mit synchronen oder metachronen HNPCC-assoziierten Tumoren (Endometrium, Magen, Ovar, Pankreas, Ureter, Nierenbecken, Gallengänge, Gehirn (meist Glioblastome), Talgdrüsenadenome und Keratoakanthome (bei Muir-Torre-Syndrom), Dünndarm).
  3. Person mit kolorektalem Karzinom mit „MSI-H Histologie“ (Vorliegen von tumorinfiltrierenden Lymphozyten, Crohn-ähnlicher lymphozytärer Reaktion, muzinöser / siegelringzelliger Differenzierung oder medullärem Wachstumsmuster), diagnostiziert vor dem Alter von 60 Jahren.
  4. Person mit kolorektalem Karzinom (unabhängig vom Alter), die einen Verwandten 1. Grades mit HNPCC-assoziiertem Tumor hat, diagnostiziert vor dem Alter von 50 Jahren.
  5. Person mit kolorektalem Karzinom (unabhängig vom Alter), die mindestens zwei Verwandte 1. oder 2. Grades hat, bei denen ein HNPCC-assoziierter Tumor diagnostiziert wurde (unabhängig vom Alter).
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